Cham (Mittelbayerische Zeitung)
In der von dem Chamer Berufsschullehrer Franz Aschenbrenner eingeleiteten
Diskussion um die «Verhunzung der deutschen Sprache» durch englische Begriffe
(«denglisch») hat sich jetzt auch der Rodinger Kreisheimatpfleger Josef Kilger
in folgendem Leserbrief zu Wort gemeldet:
Gewiss ist die deutsche
Muttersprache nicht eine Sprache, die von außen nicht berührt oder verändert
worden wäre. Im Laufe der Jahrhunderte sind Begriffe eingeflossen:
(Alt-)Griechisch, Lateinisch, Italienisch, Französisch und Englisch haben Neues
ins Schatzkästlein gelegt. So fällt manches im Schatzkästlein gar nimmer auf:
Telefon, Konzept, Girokonto, das Kuvert und der Teenager.
Gewiss ist der «Fernsprecher»
wunderbar deutsch, leider hat man das Telefaksimile zu Telefax verschrumpelt,
das Kuvert gar bei uns konserviert und der Teenager (from thirteen to nineteen)
ist eben doch sinnvoller als der Backfisch, der zu kleine Fisch, den die
Fischer wieder ins Meer zurück, niederdeutsch «back», zurückwarfen, vielleicht
gar von Backbord aus. Welche 14Jährige will noch ein Backfisch sein? Tausende
und Abertausende «fremde» Begriffe sind im Schatzkästlein...
Jede Sprache wird Anderes
annehmen und aufsaugen. Die nachdenkenden Leute sorgen sich aber um etwas
Anderes. Die Klage ist nicht neu. Schon Jacob Grimm (einer von den Brüdern oder
Gebrüdern!) klagte, dass man dem fremden Wort «ohne Not» den Zutritt
erleichtere. Ohne Not...
Es scheint wirklich eine Mode
geworden zu sein, ohne Not englische Begriffe aufzunehmen. Ohne Not. Klar, die
Sprache das Computers ist nun einmal Englisch. Außerdem ist in unserem
«globalen Dorf» eine Sprache notwendig, die (fast) alle mehr oder weniger
sprechen können. Englisch ist aus vielfältigen Gründen eine solche Sprache
geworden, wie es das Lateinische einmal war.
Aber die Muttersprache (welch
herrliches Wort!) ist wie ein Schatz zu hüten. Sie strahlt Gefühl aus, mit ihr
«begreifen» wir die gute, aber auch die trostlose Welt. Die Schwester der
Muttersprache, die Mundart, gehört auch dazu! Eine Fremdsprache muss man
können, aber sie ist «aufgesetzt» oder darüber gestülpt, manchmal so fest, dass
die Muttersprache verkümmert.
Dieses erkannte auch Franz
Aschenbrenner als Englischlehrer, gerade deswegen. Andere sind traurig, weil
das Schatzkästlein an Inhalt verliert. Der Schatz wird kleiner. «Ohne Not»
geben wir Vieles auf. Es kommt nicht von Ungefähr, dass dieser oder jener Schriftsteller
oder Dichter dieses beklagt. Einer von ihnen ist Rolf Hochhuth. Der Aufsatz aus
seiner Feder trägt die Überschrift: «Die Verbannung aus der Muttersprache.
Jacob Grimm oder die Angst um das deutsche Wort: Wider die Vorherrschaft des
Englischen - eine Erinnerung aus gegebenem Anlass».
Nun ist Rolf Hochhuth im üblichen
Koordinatensystem gewiss nicht konservativ oder gar reaktionär, um auf einen
Kommentar seines Briefeschreibers über einen anderen Briefeschreiber
einzugehen... Sprache muss Heimatgefühl erzeugen können. Die Emigranten haben
das seinerzeit schmerzlich gespürt. Ich denke da zum Beispiel an Thomas Mann.
Warum will man manchem in der
Heiligen Messe die Heimat rauben, wenn der Chor oder die Band (der Begriff ist
nicht einfach mit «Kapelle» auszutauschen) nur englische oder amerikanische
Kompositionen zu Gehör bringt. Der eine fühlt sich eben in der deutschen Messe
daheim und geborgen, der andere meint, es muss Pop und Rock sein. Der Anhänger
von «Meerstern ich dich grüße» ist keineswegs reaktionär, der Anhänger von Pop
und Rock ist keineswegs «supermodern». Wenn es der Jugend gefällt, von mir aus,
dann sollen sie eben ihre Rockmesse haben, hin und wieder!
Achten wir sorgfältig auf unser
Schatzkästlein, dass es nicht immer mehr abhanden kommt und «ohne Not»
ausgetauscht wird. Die Lehrer sollten immer mehr das Lesebuch aufschlagen
lassen. Sonst bleibt vom Schatz im Kästlein nur ein kleiner Rest von dürren
Begriffen übrig, von seelenlosen... Und das Gefühl trocknet aus... Sprache ist
Heimat. Wer aus der Sprache vertrieben wird, wird auch aus der Heimat
vertrieben, oder verliert zumindest einen Teil davon.
Eine Fremdsprache muss man
sprechen können, die Mundart ist auch ein Schatz, die Muttersprache selber aber
muss man hegen und pflegen und nicht «ohne Not» unachtsam verplempern.
Josef
Kilger,
Reinwaldstr. 62,
93426 Roding
(Realschulkonrektor, Kreisheimatpfleger
für den Altlandkreis Roding)
Artikel von efischer - überstellt
am 23.02.2002
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